Ich sitze gerade in meiner Frühstückstaverne, trinke kretischen Bergkräutertee (die Loukoumades haben die Katzen gefressen, während ich zum Telefonat mit Kostas gerufen wurde) und sende meinen Tagesbericht von gestern:
Heute bin ich zum südlichsten Punkt Europas gewandert. Die Kanaren sind ja geografisch afrikanisch und Zypern liegt geografisch in Asien. Das südliche Ende Europas ist angeblich hier auf Gavdos am Kap Tripiti.
Ich bin spät losgewandert, es war bereits 11 Uhr und eigentlich schon viel zu heiß zum Wandern. Zu lang beim Frühstück gesessen und mit den Katzen gekuschelt.
Aber der eigentliche Grund waren dann nach dem Frühstück drei Männer in meinem winzigen Bad, die versucht haben, die defekte Klospülung zu reparieren. Ich wollte warten, bis sie fertig sind, um mein Zimmer abschließen zu können. Letztendlich beschloss ich aber, die Drei alleine zurück zu lassen. Hier klaut doch keiner was. Natürlich habe ich zurecht vertraut. Die unversperrten Wertsachen wie Pass, Kreditkarte, Bankomatkarte, Führerschein und Bargeld lagen auch nachher noch genauso im Schrank wie zuvor. Mein Schlüssel steckte außen an der frei zugänglichen Tür. Und die Klospülung ist repariert!
Den ersten Weg entlang der Straße nach Korfos hätte ich mir gerne erspart und ich hoffte -vergeblich- auf ein Auto, mit dem ich mitfahren konnte. Kein Auto, kein Mensch weit und breit.
Blick zurück nach Sarakiniko:
Kreta ist so nah! Und doch so unerreichbar, wenn das Schiff nicht fährt…
Zwischen Hafen und Korfos dachte ich eine nette Abkürzung gefunden zu haben. Der Weg war aber mühsam zu gehen und hat die Gehzeit nicht wirklich kürzer gemacht.
In Korfos habe ich Badestopp eingelegt. Es war heiß und hier an der Ostküste fast windstill.
Der Wanderweg zum Kap Tripiti begann dann wunderschön schattig. Ein angenehmes Bergaufgehen durch den Kiefernwald.
Aber der Weg zog sich. Eine Zeit lang ging es schön eben dahin, dann kam die nächste Schlucht.
Nach etwas anstrengendem Bergab und Bergauf kam ich auf einer Hochebene an alten Siedlungsresten vorbei.
Dann gab es Pause unter einem angenehm schattigen Baum. Es war absolut still hier. Kein Windsäuseln war zu hören, kein Vogelgezwitscher, kein Bienensummen. Einfach nur totale Stille. Irgendwie schaurig.
Endlich der Blick Richtung Aliki Beach und Tripiti. Vor mir lag das Südende Europas!
Neben alten Hausruinen machte ich unter einem großen Schattenbaum noch einmal Pause. Die Hitze war anstrengend und am liebsten hätte ich hier ein Siestaschläfchen gemacht.
Aber laut Wegweiser war es nur noch 1 km bis zum Kap, das war auch noch zu schaffen.
Endlich am Meer! Das war vorerst wichtiger als der südlichste Punkt Europas. Einfach nur abkühlen, schwimmen und die schöne Umgebung genießen. Kap Tripiti hat drei Felsenbögen (deshalb der Name). Gut zu sehen ist von hier aus nur der große.
Aus Bootsresten hat hier jemand eine Schaukel gebaut. Den Spaß ließ ich mir natürlich nicht entgehen. Ich schaukelte auf der südlichsten Schaukel Europas 🙂
Danach war es nur noch ein kurzes Stück zum südlichen Ende Europas. Endlich, ich habe es geschafft!
Zum Größenvergleich liegt meine Kappe auf dem überdimensionalen Sessel, der hier am Kap Tripiti den südlichsten Punkt Europas markiert:
Natürlich bin ich hinauf geklettert. Ein erhabenes Gefühl, hier oben zu sitzen!
Völlig allein in dieser abgeschiedenen, stillen Gegend am Südende Europas, wo es nicht einmal Ziegen oder Vögel gab, saß ich auf diesem Riesensessel und kam mir vor wie eine Königin. Königin des Meeres und Königin eines einsamen, menschenleeren Europas…
Das Zurückwandern war nicht mehr ganz so anstrengend wie das Hinwandern, die Schatten wurden langsam länger und nach gut eineinhalb Stunden war ich schon wieder in Korfos, wo ich mich im Meer abkühlen konnte.
Auf die nächsten eineinhalb Stunden zurück nach Sarakiniko entlang der Straße, wo natürlich wieder kein einziges Fahrzeug kam, hatte ich keine besondere Lust mehr. Aber auch dieser Weg war in der Spätnachmittagssonne noch gut zu schaffen.
In Sarakiniko wehte dann erfrischender Wind und ich bekam Kaffee und Bier in der schattigen Strandtaverne (nachdem ich die schlafende Wirtin aufgeweckt habe).
Gefühlsmäßig war ich heute nicht nur am Ende Europas sondern am Ende der Welt. Zwischendurch war das völlige Alleinsein in der völligen Stille ein wenig unheimlich.
Morgen Nachmittag ist die Rückfahrt nach Kreta geplant. Ich gehe nach den aktuellen Windverhältnissen davon aus, dass die Fähre kommen wird. Mal sehen…