Tagebucheintrag von gestern Abend:
Der heutige Tag begann mit einem kleinen Spaziergang zu meiner Frühstückstaverne, vorbei an Ziegen, Esel und Pferd.
Meine Frühstücksköchin Konstantina, eine sehr gastfreundliche, warmherzige Frau, nennt mich Andrejana. Andrea ist der Rufname für Andreas, so kann sie mich nicht nennen. Mir gefällt mein neuer griechischer Name! Zum Frühstück gab es kretischen Bergkräutertee und Loukoumades. Die Loukoumades waren nicht wie auf Karpathos in Sesam gewälzt, aber trotzdem köstlich!
Hier gibt es süße Streichelkatzen! 🙂
Konstantina erzählte mir, dass die Tavernenbetreiber erst Anfang Juni aus Kreta kommen würden. Die sprechen dann auch Englisch. Von den Menschen, die hier dauerhaft wohnen, kann das kaum jemand. Ich bin sehr froh um mein bisschen Griechisch, mit dem ich mich jetzt hier einigermaßen verständigen kann. Nach dem Frühstück und einem kurzen Telefonat mit meinem Zimmervermieter Kostas aus Athen, der wissen wollte, ob alles in Ordnung ist, begann ich meine erste Inselerkundung. Den Pfad zum Hauptort Kastri, wo die einzige Bäckerei der Insel ist, habe ich gestern beim Spazierengehen schon entdeckt. Den wanderte ich entlang durch bezaubernd schöne, einsame Landschaft, vorbei an Resten antiker Bauwerke. Die einzigen Wesen, denen ich begegnete, waren Hasen und Ziegen.
Irgendwann mündete der Weg in eine Straße. Schon bald darauf kam ein Auto und blieb stehen. Der Fahrer fragte mich, ob ich mitfahren möchte. Er erzählte, dass in Kastri eine Österreicherin wohnt. Die wollte er mir unbedingt vorstellen. Und so lernte ich Astrid kennen. Astrid ist eine junge, fröhliche Deutsche (deren Eltern in Österreich leben), die sich vor einem Jahr während ihres Urlaubs in Kastri in den Tavernenbesitzer verliebt hat. Sie ist geblieben und lebt seither überglücklich hier in diesem abgeschiedenen Dörfchen. Ich trank Kaffee und Astrid erzählte von ihrem idyllischen Leben auf Gavdos, das im Juli und August, wenn zu den 50 Einwohnern noch an die 3000 Gäste kommen, ganz und gar nicht mehr ruhig ist. Ich stellte ein paar blöde Fragen. Ob es hier eine Tankstelle gibt? Natürlich nicht. Wenn sie Benzin brauchen, rufen sie in der Tankstelle in Chora Sfakion an und mit der nächsten Fähre werden dann die gewünschten Kanister geliefert. Ob es eine Apotheke gibt? Gleiche Antwort, Anruf in der Apotheke in Chora Sfakion. Manchmal dauerte eine Lieferung halt 2 Wochen, wenn die Fähre wetterbedingt nicht fahren kann. Nach meiner letzten blöden Frage, ob es auf der Insel denn irgendwo Schuhe und Gewand zu kaufen gibt, hörte ich auf zu fragen. Es gibt einfach nichts außer den beiden Minimärkten in Sarakiniko und Karave und dem Bäcker hier in Kastri. Zu dem wollte ich unbedingt noch vor der Nachmittagspause. Ich verabschiedete mich und schaute mir den Inselhauptort noch kurz an. Viel gab es nicht zu sehen. Kastri besteht aus ein paar kleinen, alten Häusern, der Taverne von Astrids Freund und einer kleinen Kirche.
Die hübsche Taverne, in der Astrid mit ihrem Freund lebt und arbeitet:
Die Bäckerei liegt etwas außerhalb und hatte offen. Nur Brot gab es keines. Gestern hätte es welches gegeben und morgen wieder, heute gab es nur abgepackte harte Brotscheibchen. Ich habe daraufhin das Brotthema abgehakt und werde mich hier einfach vom Obst und Gemüse ernähren, das ich gestern im Minimarkt erstanden habe.
Ich wanderte entlang der Straße Richtung Hafen. Auto kam leider keines mehr vorbei. Auf Höhe der kleinen Kirche Panagia entdeckte ich einen Wanderpfad. Der Weg führte durch märchenhaften Kiefernwald. Der relativ starke Wind machte schaurig-schöne Geräusche, die mich auf dem einsamen Weg zur Ostküste hinunter begleiteten.
Bald lag die wunderschöne Bucht von Korfos vor mir. Ob es da unten in der Taverne wohl ein kühles Mythos geben würde?
Natürlich nicht. Auch hier war keine Menschenseele weit und breit, die Taverne war geschlossen. Ich hatte den Strand ganz für mich allein. Der Wind wehte allerdings so stark, dass ich keine Lust hatte, ins Wasser zu gehen.
Hier in Korfos beginnt der Wanderweg zum Kap Tripiti, dem geografisch südlichsten Punkt Europas. Den will ich morgen gehen. Heute wollte ich mir noch den Hafenort Karave näher ansehen. Dort befindet sich der zweite Minimarkt. Ich wanderte entlang der Straße, aber bis auf ein paar Ziegen sah ich auf der ganzen Strecke niemanden. Kein Auto, kein Mensch, aber viel schöne Landschaft.
Oberhalb von Karave habe ich die Polizeistation entdeckt. Der Inselpolizist hat bestimmt nicht allzu viel zu tun hier.
Der Minimarkt hatte natürlich zu, es war Nachmittag. Aber die Hafentaverne war offen. Ich trank hier mein erstes Mythos auf Gavdos! Es gab auch etwas zu essen. Stifado (Kaninchengulasch) oder Spanakopitakia (Teigtäschchen mit Spinatfüllung). Die Spanakopitakia schmeckten vorzüglich!
Außer der Wirtin und mir war niemand in der Taverne und auch niemand in der ganzen Hafengegend. Sie setzte sich zu mir und erzählte, dass heute die Fähre aus Paleochora kommen sollte, aber windbedingt nicht fahren konnte. Die nächste Möglichkeit, nach Paleochora zu kommen, wäre am kommenden Montag. Wenn der Wind nicht schwächer wird, bräuchte ich auch nicht mit der Freitags-Fähre nach Chora Sfakion rechnen (für die ich mein Rückfahrticket habe). Na mal abwarten. Gavdos ist wunderschön, aber allzu lange wollte ich eigentlich nicht auf dieser einsamen Insel bleiben.
Auf dem Rückweg nach Sarakiniko kam mir ein Moped entgegen (das ist schon ein kleines Highlight, hier überhaupt einem Menschen zu begegnen). Der Mopedfahrer hatte ein großes Paket unterm Arm, die andere Hand hob er hoch, um mir fröhlich zuzuwinken. Der fuhr freihändig Moped, um mich zu grüßen! Die wenigen Menschen hier sind unglaublich freundlich. Das berührt mich, freut mich und beeindruckt mich sehr. Eine paradiesische Insel mit ganz besonders lieben Menschen!
Vorbei an Olivenbäumen und antiken Bauresten wanderte ich weiter Richtung Sarakiniko.
Ich entdeckte eine hübsche, kleine Taverne, die offen aussah, aber es war niemand da. Ich hätte ohnehin nichts konsumieren wollen, ich wollte nur die aktuelle Infrastruktur der Insel erkunden – für den Fall, dass sich mein Aufenthalt hier windbedingt in die Länge zieht.
Das letzte Stück ging ich dann querfeldein durch die wunderschöne Wacholderbaumgegend.
Nach einem kurzen Strandbesuch (viel zu windig zum Baden) ging ich heim, um den schönen Tag gemütlich auf meiner Meerblick-Terrasse ausklingen zu lassen und danach die wunderschöne Vollmondstimmung zu genießen!
Freu mich schon wieder auf das Frühstück und auf ein nettes Gespräch mit Konstantina. Hoffentlich gibt es wieder Loukoumades! Ich freu mich auch aufs Internet. Hier auf dieser abgeschiedenen Insel wirkt der virtuelle Kontakt zur Außenwelt irgendwie angenehm beruhigend. Auch wenn kein Schiff fährt und Gavdos vom Rest der Welt abgeschnitten ist, besteht weltweite Verbindung – sofern WIFI funktioniert…
Ich glaube, hier auf Gavdos könnte ich ein Buch schreiben 😉 So schreibfreudig wie hier war ich während der letzten Monate nirgendwo.